Von dem Leben mit Dreads - oder meine Dreadreise

Jede*r die bzw. der sich für diese besondere Haarpracht entscheidet, beschreitet unweigerlich den Weg der eigenen, individuellen Dreadreise. Gemeint ist damit der (hoffentlich lange) Prozess der Entwicklung durch welchen sich unsere Dreadlocks begeben. Denn Filz entsteht nicht von heute auf morgen. Hier ist viel Geduld gefragt. So durchlaufen nicht nur unsere Dreads ihre persönliche Entwicklung, sondern auch meist die Menschen, an welchen Sie hängen.

 

Dreadlocks verändern einen Menschen. Eine Erkenntnis, welche ich früher so auch nicht für möglich gehalten hätte. Doch nach mittlerweile einem halben Leben für und gegen Dreads, kann ich das getrost sagen. Heute schöpfe ich aus meinen Erfahrungen um anderen einen guten Start auf ihrer Reise zu ermöglichen.

 

Dabei unterscheidet sich jede Dreadreise voneinander und bildet eine ganz eigene, individuelle Geschichte. Die Einen bekommen ihre Dreads bereits in frühen Jugendjahren, andere entscheiden sich erst zu einem späteren Lebensabschnitt dafür. Manch einen begleiten Sie das ganze Leben, andere nur wenige Jahre oder Monate. Die Entscheidungen sind dabei ganz unterschiedlich.

 

Ich selbst habe mich im jungen Alter von 16 Jahren das erste Mal mit Dreadlocks beschäftigt. Bis zu einer ernsthaften Auseinandersetzung und letztlichen Entscheidung für diese Haarpracht vergingen jedoch noch einmal ein paar Jährchen. Mit 20 Jahren wagte ich dann den großen Schritt. Da zum damaligen Zeitpunkt das Internet noch in den Kinderschuhen steckte war es gar nicht so einfach, an die nötigen Informationen und Kontakte zu kommen. Meine ersten Schritte auf meiner Dreadreise führten mich zu diversen Afroshops und spärlich gesäten Foren, in welchen zum Teil aus heutiger Sicht haarsträubende Informationen gestreut wurden. So nahm ich auch wirklich jeden Fehler mit, den man seinen Dreads nur antun konnte. Angefangen bei Filznadeln, bis hin zu Fettcremes etc. Aus heutiger Sicht also kein Wunder, dass viele meiner Anläufe im Frust endeten.

 

Denn nicht nur den richtigen Weg zu finden stellte eine große Herausforderung dar, sondern auch das "neue" Leben im sozialen Umfeld. Denn auch wenn Dreads streng genommen "nur" eine Frisur sind, reagiert das nähere Umfeld nicht selten mit Vorurteilen und Klischees. So durfte ich mir nicht nur einmal anhören, dass ich ein Kiffer, ungepflegt, verwahrlost oder Läuse befallen wäre. Obwohl nichts hiervon auf mich zutraf, erschütterten solche Aussagen mein Selbstbewusstsein in ihren Grundfesten und ließen mich an meiner Entscheidung zweifeln. Es brauchte viele Jahre und Anläufe, bis ich die innere Stärke für mich gefunden hatte, um diese Haarpracht mit Würde und der nötigen Selbstverständlichkeit zu tragen.

 

Heute bin ich stolz auf meine Entscheidung und bereue es keinen Tag, mich für Dreadlocks entschieden zu haben. Sollen die Anderen denken, was sie wollen. Jeder Dreadhead weiß es besser und ist sich des Arbeitsaufwandes bewusst, den Dreadlocks mit sich bringen. Denn auch das ist eine Wahrheit. Dreads wollen das richtige Mass an Aufmerksamkeit um sich optimal entwickeln zu können.

 

Heute gibt es Menschen wie mich, die sich professionell mit diesem Handwerk beschäftigen, so dass niemand mehr eine Odyssee zurücklegen muss, bevor er oder sie sich an seinen bzw. ihren Dreadlocks erfreuen kann. Und ich bin glücklich, einer dieser Menschen sein zu dürfen, der Andere auf den Weg ihrer Dreadreise begleiten und ihre Geschichten hören zu dürfen.